ORF texts about Tonga.Online - "Revolution oder Absturz ins Chaos?"

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Revolution oder Absturz ins Chaos?

"Europa hat Afrika noch nie verstanden." So kommentiert die zimbabwesche Sängerin Chiwoniso Maraire die westliche Berichterstattung über die Krise in ihrem Land. Seit Februar 2000 starben 30 Menschen, großteils Oppositionelle, darunter fünf weiße Großgrundbesitzer.

Die "War Veterans", die alten Kämpfer des erst 1980 beendeten Unabhängigkeitskrieges, besetzten Farmen gemeinsam mit jungen Rowdys aus dem mittlerweile 75 Prozent der Bevölkerung umfassenden Arbeitslosenheer, verprügelten Andersdenkende und sprengten die Druckerei einer aufmüpfigen Zeitung. All das mit Billigung der Regierung des 77-jährigen Staatspäsidenten Robert Mugabe, der seinerseits die Justiz von kritischen Richtern säuberte, die Medien durch ein neues Gesetz gefügig machte, die einzige Oppositionspartei, MDC (Movement for Democratic Change), knebelt und auch sonst alles tut, was verboten ist, um die Präsidentschaftswahlen 2002 noch einmal zu gewinnen.

 

Image  Bürgerkrieg droht

Wer durch die parkähnliche Landschaft des relativ hoch entwickelten Zimbabwe fährt, in Restaurants von aufmerksamen Kellnern bedient wird und mit gut gelaunten Menschen plaudert, merkt von all dem nichts, wären da nicht die Autoschlangen vor den Tankstellen. Mangels Devisen ist der Treibstoff knapp, da die Rohstoffpreise im Keller sind, geht es mit der Wirtschaft abwärts, immer mehr Betriebe schließen, die Felder werden aus Angst vor den War-Veterans nicht mehr bestellt und die vor zwei Jahren noch zahlreichen Safari-Touristen bleiben aus. Für die nahe Zukunft werden Hungersnöte erwartet, Pessimisten sprechen von Diktatur und drohendem Bürgerkrieg.

Angelpunkt der Misere ist die anstehende Landreform. Seit der Unabhängigkeit im Jahr 1980 wird sie nur schleppend umgesetzt. Immer noch herrschen in Zimbabwe koloniale Strukturen, einige wenige weiße Farmer besitzen den Großteil des fruchtbaren Bodens, bewirtschaften diesen aber nur zu einem Drittel.

Nachdem die Programme von Weltbank und Währungsfonds Zimbabwe in 20 Jahren keinen nachhaltigen wirtschaftlichen Aufschwung gebracht haben, wollen Robert Mugabe und seine nationalistische ZANU-PF (Zimbabwe African National Union-Patriotic Front) nun durch Rückbesinnung auf alte afrikanische Werte und eine notfalls auch gewaltsam durchgezogene Neuverteilung des Landes einen eigenständigen, von der Weltwirtschaft weitgehend abgekoppelten Weg gehen.

Image Opposition brüchig

Man trifft in Zimbabwe auch Weiße, die das für eine revolutionäre und notwendige Vorgangsweise halten, um die wirtschaftlichen und politischen Deformationen der Kolonialzeit und den über die Globalisierung eindringenden Neokolonialismus abstreifen. Die Gewalttaten hätten so gesehen eher symbolische Qualität, die Zahl der Toten sei - und das ist keinesfalls zynisch gemeint - für afrikanische Verhältnisse so klein wie möglich.

Die meisten der städtischen Intellektuellen in Harare tendieren zum MDC, schon weil sie sich mit der massiven Einschränkung der freien Meinungsäußerung nicht abfinden wollen. Mit den Interessen der Großfarmer, die den MDC zu einem großen Teil finanzieren, haben die Künstler und Intellektuellen wenig gemeinsam. Der MDC ist daher ein äußerst brüchiges Gebilde. Auch die Tonga tendieren mehrheitlich zur Opposition, die ZANU-PF-Regierung hat sie schließlich 20 Jahre lang vergessen. Doch selbst in die abgelegenen Gebiete am Lake Kariba sind die War Veterans schon vorgedrungen, haben Behörden unter Druck gesetzt und Organisationen, die unter Oppositionsverdacht stehen, lahmgelegt.

Sigi Finkel in Zimbabwe

Das offizielle Österreich reagiert auf die Vorgänge EU-konform abwartend. So werden laufende Projekte der Entwicklungszusammenarbeit weitergeführt, die in Verruf geratene Regierung wird umgangen, Projekte werden direkt mit den Betrieben und Genossenschaften abgewickelt. Die Devise lautet: Die Menschen in einer schwierigen Situation nicht im Stich lassen. Mittel für neue Projekte gab es keine.

Die gegenwärtig laufende Zimbabwe-Tournee der österreichischen Band "Sigi Finkel and African Heart" hat in diesem Zusammenhang einen hohen symbolischen Stellenwert. Drei Westafrikaner und drei Europäer spielen in dieser Gruppe zusammen und formulieren schon dadurch ein antirassistisches Statement, das sich sowohl an die Menschen in Österreich wie auch in Zimbabwe wendet.